Bangalore, Indien
Die Weichensteller
Der Ausbau der Metro in der Millionenmetropole Bangalore bringt einen Ausweg aus dem Verkehrskollaps. Schindler Indien liefert die Aufzüge und Fahrtreppen, um zu den Zügen zu gelangen.
In der Service Road in Bangalore stauen sich die Autos in Vierer- und Fünferreihen. Die Fahrer zeigen grosses Geschick, auch den letzten Millimeter des knappen Platzes auszunutzen. Motorräder und Mopeds flitzen haarscharf an den Motorhauben vorbei, während die Autos, begleitet von einer Kakophonie tausender Hupen, nur im Schritttempo vorwärtskommen.
Die drittgrösste Stadt Indiens, IT-Metropole und Backoffice für viele Grosskonzerne der Welt, ist in den letzten 20 Jahren von 5,5 auf 11,5 Millionen Einwohner angewachsen. Die Strassen der Gartenstadt mit ihren zahlreichen Parkanlagen und Seen waren nie für ein solches Verkehrsaufkommen gedacht. Die Verkehrsinfrastruktur konnte mit der Entwicklung nicht Schritt halten. Werktags sind 1,5 bis 2 Millionen Autofahrer in Bangalore unterwegs. Darunter 100 000 IT-Mitarbeitende. Sie sind rund um die Uhr unterwegs, weil irgendwo auf dem Globus immer jemand ihre Dienste benötigt.
Zwanzig Meter über der Strasse wartet die Erlösung für die Staugeplagten: Die Metrostation Konappana Agrahara der gelben Linie, nahe des IT-Hubs Electronic City, wird im Frühling 2024 eingeweiht. Im September 2017 hatten die Bauarbeiten begonnen, Covid verzögerte sie. In Bangalore ist gelb die Farbe der Hoffnung: Die neue Linie erweitert die Namma-Metro um zusätzliche 20 Kilometer und 16 Stationen und läutet so ein neues Zeitalter an.
Bisher kannte die Stadt nur zwei Linien mit entsprechend bemalten Zügen: eine in Lila, eine in Grün. Namma-Metro verlängerte sie laufend über die Jahre. Die ersten Züge fuhren 2011 durch die Stadt. 700 000 Pendlerinnen und Pendler nutzen heute täglich das Schienennetz von 73 Kilometern und werden schnell und günstig an ihr Ziel gebracht.
Bis 2026 soll die Metrostrecke 170 Kilometer umfassen und die IT-Hubs mit dem Flughafen und der staugeplagten Outer Ring Road verbinden und so die Strassen entlasten. «Namma-Metro» bedeutet in der Sprache des Bundesstaates Karnataka, dessen Hauptstadt Bangalore ist, «unsere Metro». Der Name ist Programm. A. S. Shankar, Executive Director der Namma-Metro, sagt: «Wir schätzen, dass wir zwischen 25 und 50 Prozent der Pendler dazu bringen werden, vom Auto auf die Metro umzusteigen. Bei den Motorrad- und Mopedfahrern ist es noch schwieriger vorherzusagen. Alles hängt davon ab, wie nahe sie bei einer Metrostation wohnen und arbeiten. Das letzte Teilstück ist entscheidend für ihr Verhalten.»
Schindler Indien ist für das Metroprojekt sehr wichtig. 90 Prozent der Metrogleise führen auf Pfeilern durch die Millionenmetropole, nur zehn Prozent verlaufen unterirdisch. Von 69 Stationen befinden sich sieben unter dem Boden. Für ein ebenerdiges Schienennetz war nicht genug Platz vorhanden, eine komplette U-Bahn war zu teuer. Die Pendlerinnen und Pendler müssen also hinauf oder hinunter befördert werden. In der ersten Etappe lieferte Schindler 120 Aufzüge. Für die zweite Phase vergab die Metro den Auftrag für 180 Fahrtreppen an Schindler. Die für hohes Verkehrsaufkommen konzipierten Fahrtreppen Schindler 9700 werden alle im eigenen Werk in Pune produziert – etwas, worauf die indische Regierung grossen Wert legt. Und dass der Namma-Metro-Chef A. S. Shankar und Schindler dieselben Grundwerte teilen: Sicherheit, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit.
Schindler-Monteure geben den Fahrtreppen in den leeren Hallen der Metrostation Konappana Agrahara den Feinschliff für die Eröffnung. Projektleiter Nageswaran Nagarajan und sein Team montierten allein an dieser Station 16 Fahrtreppen. Grösste Herausforderung war dabei die Anlieferung der tonnenschweren Teile im nie endenden Verkehrsstrom auf der Service Road und dem Chennai Highway, die parallel zum Metrotrassee verlaufen. Nageswaran Nagarajan kommentiert. «Ich bin sehr stolz, dass wir das ohne Zwischenfall und in der typischen Schindler-Präzision geschafft haben. Der Kunde erwartet das schliesslich auch von uns.»
In Indien herrscht hoher Nachholbedarf bei Aufzügen und Fahrtreppen. Während etwa in der Schweiz 32 Aufzüge auf 1 000 Einwohner kommen, sind es in Indien gerade mal 0,5. Bis 2035 wird ein weiteres Bevölkerungswachstum von 160 Millionen Menschen prognostiziert. 35 Millionen Wohnungen und Häuser fehlen, was eine Nachfrage nach 1 800 000 Anlagen bedeutet. Schindler Indien ist seit genau 25 Jahren im Land und weiterhin auf Wachstumskurs.
Tanmaya Singh, Vice President Field Operations, meint: «Der Metroauftrag ist für uns sehr wichtig. Wir prägen den öffentlichen Nahverkehr mit unseren Produkten jeden Tag in einem herausfordernden Umfeld. Unsere Wartungslösungen, die auch die digitale Fernüberwachung beinhalten, und unsere Zuverlässigkeit haben den Kunden überzeugt.»
Schindler bildet in ganz Indien jährlich 300 Lernende aus, aber das grösste Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft: die Frauen. Theresa Antony, Beraterin bei Schindler Bangalore, sagt: «Bei Schindler Indien sind inzwischen einige Frauen in Führungspositionen. Wir zeigen, was wir können. Schindler bietet uns ein sicheres und offenes Arbeitsumfeld, in dem ich mich akzeptiert fühle und Lohngleichheit.»
Es gibt einen Metro-Hub, an dem Schindler-Aufzüge seit 2016 zeigen können, wie robust und zuverlässig sie im täglichen harten Einsatz sind: Am Knotenpunkt Majestic kreuzen sich die lila und die grüne Linie, die Süd-Nord- und die West-Ost-Achse des Netzes. Mit seinen vier Ebenen auf 48 000 Quadratmetern ist Majestic die grösste Metrostation Asiens. 20 000 Pendlerinnen und Pendler steigen hier täglich ein und aus. Servicetechniker von Schindler kümmern sich rund um die Uhr darum, dass die vier Aufzüge Schindler 5400 immer funktionieren und die rund 9 000 Fahrgäste täglich von Ebene zu Ebene bringen. EI-Teamleader Arunkumar Haridas sagt: «Ich habe eine Rolle im öffentlichen Verkehr von Bangalore. Das gibt meiner Tätigkeit Sinn und macht mich stolz.»
Er hat sich selbst eine Reaktionszeit von fünf bis zehn Minuten auferlegt, um eine Störung zu beheben und eine Kettenreaktion zu vermeiden. Die digitale Vernetzung der Anlagen hilft, ein sich ankündigendes Problem zu lösen, bevor es die Benutzer überhaupt merken. Wartungsarbeiten an den Anlagen erledigen die Techniker zwischen 23 Uhr und fünf Uhr morgens. In dieser Zeit fährt die Metro nicht.
Sethuram Gudimitila, Assistant General Manager der Niederlassung Bangalore 2, erzählt: «Technische Spezifikationen, Preis, Qualität – das alles ist sehr wichtig für uns. Wir sind sehr stolz, dass wir unsere Produkte liefern durften. Als mein Bruder kürzlich dabei war, auf das Schindler-Logo am Fusse einer Fahrtreppe zu treten, stoppte ihn mein Vater und sagte zu ihm: ‹Das macht man nicht!›»